Sonntag Okuli

Predigt aus der Reihe "Gestalten der Passionsgeschichte": Petrus

Predigttext: Matthäus,16, 21- 23
21 Seit der Zeit fing Jesus an, seinen Jüngern zu zeigen, wie er nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am dritten Tage auferstehen.
22 Und Petrus nahm ihn beiseite und fuhr ihn an und sprach: Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht!
23 Er aber wandte sich um und sprach zu Petrus: Geh weg von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.


Liebe Gemeinde!

Die Gestalten der Passionsgeschichte sind keine Helden. Aber trotz ihrer Charakterschwächen wurden sie in der Kirchengeschichte als Heilige verehrt. Auch wenn uns Evangelischen die Heiligenverehrung fremd ist. Wir können etwas über unser Menschsein lernen. Lernen, dass wir alle durch den Glauben Heilige sind. Dass selbst Verfehlungen, Irrtümer, Niedertracht und Verrat uns nicht von der Liebe Gottes trennen können. Und deshalb sind und bleiben wir Heilige. Sind wir alle Gottes Heilige, Priester und Könige. So steht im 1. Petrusbrief (2,9) Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein
königliches Priestertum, ein heiliges Volk.

Ja man mag es kaum glauben, wenn wir uns so umschauen oder in die Zeitung. Wie sehr wir uns aufregen über Menschen, die Unrecht tun. V.a. wenn sie noch dazu in der Öffentlichkeit für Rechtschaffenheit und Sauberkeit stehen. Wie hämisch wir v.a. über solche lachen, wenn sie straucheln.
Im Gegensatz dazu das Bild Gottes von seinen Heiligen. Sünder sitzen am Tisch Jesu: Steuerhinterzieher wie Zachäus, Streber wie die Söhne des Zebedäus, die als erste mit Jesus im Reich Gottes neben ihm sitzen wollen, Johannes, der Esoteriker, Judas, der Zelot. Mit Gewalt wollte er das Reich Gottes auf Erden errichten. Der Verräter, der ihn an
die Römer verraten wird, ausliefern wird in den Tod. Petrus, der vor Angst wegläuft, statt sich zu ihm zu bekennen. Allesamt verstecken sich nach Jesu Tod in ihren Häusern. Und Paulus, der Fanatiker, der Fundamentalist, zählt sich auch unter die Heiligen Gottes. Was für ein himmlisch unzulängliches Pack.
Einen schauen wir uns heute genauer an. Und vielleicht erkennt sich der ein oder die andere in ihm wieder. Wir lernen von ihm etwas über unser Menschsein und heilig sein.

Petrus. Beruf Fischer. Charakter: heißblütig und zupackend. Jesus scheint ihn immer mal wieder dämpfen zu müssen. Er hat einen seiner verhängnisvollen Auftritte, als sie wieder einmal beieinander sitzen und Jesus darüber spricht, dass ihm, dem sanften Menschensohn Aggression und Leiden wohl nicht erspart bleiben werden. Da sagt Petrus: „nein – ich will gar nichts hören vom Leiden! Das widerfahre dir bloß nicht!“

Die Grenze, an die Petrus stößt: Er will nicht wahrhaben, dass Jesus sterben wird. Er will nicht wahrhaben, dass man an einen Punkt kommen kann, wo man nichts mehr tun kann. Auch als auch als Macher oder Macherin nichts tun kann. Dass du dich nicht einmal auf dich selber mehr verlassen kannst. Jesus Christus lehrt dich, dich einer größeren Macht,
der Macht Gottes anzuvertrauen. Loszulassen. Frieden zu finden, auch wenn die Welt nicht in Ordnung ist. Und deshalb reagiert er so harsch: „Geh weg du Satan, du willst nicht was göttlich ist, sondern menschlich.“

Ein andermal brüstet er sich: Er wird Jesus verteidigen, niemals würde er ihn im Stich lassen. „Und wenn ich mit Dir sterben müsste“. Auf diese vollmundigen Schwüre, sagt Jesus: Wenn der Hahn kräht, wirst Du mich dreimal verraten haben.

Petrus ist der Klassensprecher der Jünger Jesu. Oft ist er der erste, der die Fragen stellt, und: der erste eigene Antworten versucht. Als er zum ersten Mal den Mund aufmacht – da will Petrus eigene Zweifel klären und stellt die entscheidenden Frage: Herr, bist du es? (Mt 14,28 par). Oder: Herr, wohin sollen wir gehen? (Joh 6,68). Dann wieder kriegt er es im Gegenwind stürmischer Zeiten mit der Angst zu tun: Herr, hilf mir! (Mt 14,30). Mal will er es sich auch in privilegierter Stellung bequem machen: Herr, hier ist gut sein! (Mk 9,5). Petrus hat als Erster erkannt, dass Jesus die Macht hat: nämlich die Vollmacht Gottes, Menschen zu heilen. Als erster sagt er: du bist der Christus. Du bist unsere Rettung. Du kannst Menschen verändern.

Petrus ist ein hin und her gerissener Mensch. Er ist eben wie wir. Mutig und folgsam und verzweifelnd ängstlich zugleich. Eben noch ganz eifrig – dann wieder hoffnungslos daneben. Geradezu vorbildlich und dann wieder vorpreschend und forsch. Sein neuer Name, Πετροσ, Πετρα, von Jesus gegeben, bedeutet Fels oder sogar Edelstein. So steht dieser eine ambivalente Mensch für alle Menschen, die an der Kirche Jesu Christi und an seiner Gemeinde mit bauen als lebendige Steine (1. Petr 2,5), jede ein kleiner Fels in der Brandung, jeder ein kostbarer Juwel! Denn der Schmuck der Kirche sind die Menschen, sagt Gerhard Begrich, jeder Mensch ist ein Edelstein Gottes (Begrich
2011, Namen. S.169). Und doch ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Leib und Seele. Petrus ist der Fels mit Ecken und Kanten, geradeaus, unangepasst und sehr oft eigensinnig, ein Original eben, einer, der redet, wie das Herz überläuft und wie ihm das Maul gewachsen ist.

Widersprüchlich wie Petrus sind wir Christen. wir sind mit Fähigkeiten und Möglichkeiten begabt. Wir sind gut darin, uns für Menschen in Not einzusetzen, und manchmal das Letzte zu geben. Aber wir verlieren uns oft in der Aktion.

Petrus ist wie du, wie ich. Du nimmst dir zu viel vor. Du willst glänzen und Erfolg haben. Versagen, Leiden, ja Schwäche akzeptieren fällt dir schwer. Gerade Machtmenschen tun sich schwer, die Ohnmacht zu akzeptieren. Wann es vorbei ist, kämpfen zu müssen und es besser ist, sich in ein großes göttliches Ganzes zu fügen.

Heilig sein wird irrtümlich oft mit göttlich sein verwechselt. Es bedeutet Mensch zu werden, wahrer Mensch werden und gerade so Gott und Jesus Christus nahe kommen.

Menschwerdung heißt heilig werden. Heilig bedeutet, sein wahres Selbst zu finden, in dem sich Gott spiegelt in seiner Schönheit. Um sich selbst zu finden, muss ich mich zuerst von mir distanzieren. Ich brauche Abstand zu mir selbst, um in mir herauszuhören, was mein wahres Selbst ist oder was nur Größenphantasien und kindliche Wünsche sind, die nie mehr erfüllbar werden.

Jesus zeigt uns, wie Leben wirklich gelingt. Wahres Leben besteht nicht darin, alles an sich zu raffen und vor jeder Herausforderung davonzulaufen. Leben heißt für Jesus aber auch nicht, sich möglichst viele Härten auszusuchen, um sich das Leben besonders schwer zu machen. Wer Leben will hört auf die innerste Stimme seines Herzens. Und hört
Jesus, der spricht: Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir. Sag Ja zu deiner eigenen Gegensätzlichkeit. Das Kreuz ist ein Bild dafür, dass wir nicht eindeutig sind. Wir haben in uns nicht nur Liebe, sondern auch Hass. Wir sind nicht nur diszipliniert, sondern haben auch undisziplinierte Seiten in uns. Wir haben nicht nur Erfolg, sondern auch Misserfolg.
Wir sind nicht nur gesund, sondern auch krank. Nur wer auch den Gegenpol seiner glänzenden Seiten annimmt, wird wahrhaft Mensch. Kreuz heißt aber auch, Ja zu sagen zu dem, was mich täglich durchkreuzt, frei zu werden von der Fixierung auf die eigenen Vorstellungen, wie ein Leben zu gehen hat. Das Kreuz befreit mich dazu, in meinem
durchkreuzten Alltag, in meinem Scheitern, in den täglichen Konflikten und Brüchen das Bild zu finden, das Gott sich von mir gemacht hat. Wer sein Kreuz auf sich nimmt, dessen Leben zerbricht nicht, wenn so Vieles in ihm und um ihn in die Brüche geht. Er verfolgt in all den Irrwegen und Umwegen die Spur Jesu und die führt ihn zum wahren Leben.

Petrus war in der Nacht des Verrates weggerannt war und weinte bitterlich über sich selbst. Sein Scheitern an der Liebe zu seinem Jesus. Was sagen wir nun dazu? Schande über ihn? Asche auf sein Haupt? An den Pranger mit diesem Kirchengründer, der seinen Idealen immer hinterher rennt und am Ende nur eine Geschichte des Scheiterns erzählen
muss? Lässt uns etwa Petrus selbst einstimmen in eine Kirchen-Schelte? So sind sie doch alle in der Kirche, schaut sie euch an! Glaubensversager.

Ja sagen zur eigenen Widersprüchlichkeit, darin wird Jesus in unserem Leben gegenwärtig. Auch in der Widersprüchlichkeit einer Gemeinde wie unserer ist Jesus mittendrin. Wenn Jesu die Mitte unserer Gemeinde ist, heißt das nicht, dass wir alle einträchtig und gemütlich im Licht des Evangeliums stehen. Christus ist die Mitte unseres Selbst. Die Mitte unserer Gemeinde ist Christus, der uns alle in unserer Brüchigkeit in sein Licht zieht.

Petrus begegnet Jesus, dem Auferstandenen erneut. Jesus sieht den wahren Menschen, den gebrochenen, wahren Menschen. Er spaltet das dunkle dieses Menschens nicht ab.

Er macht ihn nicht runter. Jesus setzt ihn gewissermaßen als seinen Nachfolger ein. Er traut ihm zu, etwas vom Menschsein verstanden zu haben, vom heil werden.

Aus Petrus, hat Jesus am Ende einen wichtigen Mann des Glaubens gemacht. Einen Menschenfischer. Einen mit Macht und Verantwortung für Menschen. Einen, der Menschen hilft, sich und andere anzunehmen.

Das ist auch unser Auftrag in dieser Welt. Menschen anzunehmen in ihrer Gebrochenheit und Angst und als Menschen mit wunderbaren Möglichkeiten, mit ihren göttlichen Gaben, die Welt so braucht. Es gibt uns nur als ganze Menschen mit Schatten und Licht. Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alles Verstehen bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

 

 

9. Sonntag nach Trinitatis

Predigt in der Reihe "See-Geschichten"

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Unser Bibelwort zur Predigt steht Joh 6,1-15

Herr, segne du Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde,

ich wäre so gern dabei gewesen. Bei diesem besonderen Picknick am See. Nicht weil Brot und Fisch mein absolutes Lieblingsgericht wäre. Und auch nicht, weil ich persönlich so gerne in Menschenmassen geschubst und bedrängt werde.

Aber bei diesem Picknick kommen verschiedene Dinge zusammen, die ich persönlich liebe: Wasser, Landschaft, Gemeinschaft, Geschichten. Also ich wäre gern dabei gewesen.

Da ist also ein See. Tief eingeschnitten, von Hügeln umgeben. Groß ist er. An Tagen mit guter Sicht schimmert in der Ferne der Schnee von den Bergen. Er ist lebendig, dieser See: Fische leben in ihm. Boote fast aller Größen schwimmen auf ihm. Menschen lagern sich im satten grünen Gras um ihn. Je strahlender die Sonne, desto bevölkerter das Ufer. Manche haben ihr Picknick dabei, andere verlassen sich auf die Einkehrmöglichkeiten oder die Geschäfte in den umliegenden Ortschaften. So ein See lädt einfach ein zur Erholung. Zum Lagern, zum Schwimmen, zum Picknicken, zu Gesprächen unter Freunden.

Was wie eine Beschreibung des Starnberger Sees an einem schönen Sommertag klingt, ist in Wirklichkeit eine Beschreibung des Sees Genezareth. Er liegt ungefähr 3000 km südöstlich von uns hier. Er ist eher rund, nicht so länglich. Aber liegt genauso in den Hügeln, hat in der Ferne den schneebedeckten Hermon. Und er ist bevölkert mit Booten. Am Ufer wachsen üppige Obstplantagen. Es ist fruchtbar, dieses Fleckchen Erde. Grünes Gras säumt den Strand.

Wie gesagt, ich wäre gern dabei gewesen. Ich mag so einen großen See in bergiger Umgebung. Ich mag den Geruch des Wassers. Ich mag fruchtbares Ufer. Ich mag interessante Unterhaltungen. Ich mag Geschichten. Und – ich mag Jesus.

Was hat er nicht alles für die Menschen getan! Blinde konnten wieder sehen, Lahme konnten wieder gehen, Aussätzige wurden rein, sogar Tote bekamen noch einmal einen Zeitabschnitt Leben auf dieser schönen Erde. Und die Menschen erhielten durch seine Zuwendung Hoffnung.

Bevor Jesus die Vielen mit fünf Broten und zwei Fischen speiste, sättigte er sie auf andere Weise. Das ist ein weiterer Grund, warum ich so gern dabei gewesen wäre. Jesus redete mit den Menschen. Er erzählte ihnen Geschichten vom Reich Gottes. Viele davon können wir in der Bibel nachlesen. Aber ich denke, ihm direkt zuzuschauen, zuzuhören – das wäre noch einmal etwas anderes gewesen. Seine Stimme, seine Mimik, seine Gesten würden manches vielleicht noch verdeutlichen.

Da ist also die Menschenmenge, die Jesus hinterherläuft. Selbst als er sich wegrudern lässt in die Einsamkeit, folgen sie ihm. Und Jesus sieht hinter die reine Sensationslust. Er erkennt sie als Schafe, die keinen Hirten haben. Und er nimmt sich als der gute Hirte seiner Herde an.

Er hält eine lange Predigt, wird uns berichtet. Da ja auch viele Kinder mitgenommen und mitgekommen sind, erzählt er bestimmt auch einige seiner berühmten Gleichnisse. Sozusagen Seegeschichten...

Doch als es allmählich Abend wird, knurren die Mägen. Die Jünger erinnern Jesus und fordern ihn auf, endlich zum Schluss zu kommen. „Lass das Volk gehen!“ sagen sie. So als ob Jesus die Menschen gewaltsam festgehalten hätte. Dabei war es eher anders herum: Die Menschen haben Jesus vereinnahmt.

Die Jünger also wollen das Volk endlich loswerden. Auf keinen Fall zuständig sein. Und sie verpacken das sehr nett und um das Wohl aller besorgt: „Damit sie sich was zu essen kaufen können!“ Wir Menschen sind oft sehr gut darin, unsere eigenen Wünsche ach so sozial zu bemänteln. Dass sich die Jünger um die pünktliche und ökologisch - biologische Ernährung all der Zuhörer sorgen, ist doch wirklich vorbildlich. Oder?

Doch Jesus sieht tiefer. Er zeigt in unserer Picknick-Geschichte seinen Nachfolgern, dass er genug hat für alle. Dass er gekommen ist, um sich allumfassend um die verlorenen Schafe zu kümmern. Um Leib, Seele und Geist: Mit seinen Geschichten und Predigten erreicht er den Geist seiner Zuhörer, mit seiner Zuwendung die Seele und mit seinen Heilungen die kranken Körper. Doch er weiß aus eigenem Erleben, dass auch der gesunde Leib gepflegt werden muss: Er braucht regelmäßig Nahrung. Wer so lange zugehört hat, soll auch gespeist werden.

Da die Jünger ja die angeblich perfekte Lösung bereit haben (Schick die Leute weg!), nimmt Jesus sie in die Verantwortung: Gebt IHR ihnen zu essen...

Geht es uns nicht manchmal genauso: Ob es sich um Politik im Großen oder im Kleinen handelt oder DIE Idee für unsere Kirchengemeinde oder DIE Lösung für das Problem eines Freundes – wir sind so gut im Mund aufmachen, im Kritisieren, im Besserwissen. Aber wenn es dann heißt: „Na, dann mach DU mal!“ Dann haben wir so schnell was Wichtigeres zu tun.

Jesus ist barmherzig. Auch mit seinen Leuten. Er kennt unsere toten Winkel, sieht unsere blinden Flecken. Aber er nimmt uns an der Hand und führt uns hinaus aus unserem engen Horizont. Wie hier in unserer Seegeschichte.

Die Diskussion, dass 200 Silbergroschen nicht genügen für so viele Menschen, beendet Jesus mit der eigentlich naheliegenden Frage: Wie viel ist denn vorhanden? Hier im Johannesevangelium wird uns darauf von einem Jungen erzählt, der fünf Brote und zwei Fische dabei hat und sie – erstaunlicherweise – sofort zur Verfügung stellt.

Auch wenn wir oft denken, nicht genug zu haben, dürfen wir das, was wir haben, Jesus anvertrauen. Und er macht Unglaubliches damit. So wie hier aus fünf Broten und zwei Fischen ein überreiches Picknick für 5000 Männer PLUS Frauen PLUS Kinder. So überreich, dass am Ende noch zwölf Körbe voller Reste die Ernährung der ebenfalls zwölf Jünger zumindest am nächsten Tag sicherstellen.

Die Menschen sind gut gesättigt an Leib, Seele und Geist und wahrscheinlich auch angenehm müde nach diesem ereignisreichen Tag. Dass sie nun versuchen, diesen Zustand für lange Zeit zu erhalten, ist sehr naheliegend. „Das ist der Prophet, der in die Welt kommen soll!“ sagen sie zueinander. Und sie beschließen, ihn zu ihrem König zu machen. Nicht König für Brot und Spiele wie in Rom, aber König für Brot und Geschichten am See Genezareth. Welch wunderbare Zeiten stehen da bevor!

Aber Jesus merkt, was die Menge vorhat. Und er zieht sich zurück auf den Berg, auf dem er schon mit seinem Vater im Himmel geredet hatte, bevor die Menschen zu ihm gekommen waren.

Viele Menschen damals nahmen ihm das sehr übel. Wenn ein Idol sein eigenes Leben führt und nicht meinen Vorstellungen entspricht, lasse ich es sehr schnell fallen. Und so wurde aus dem Brotkönig zunächst am Palmsonntag der König auf dem Esel, dem alle „Hosianna“ zuriefen. Und keine Woche später, am Karfreitag, schrien sie dann: „Kreuzige!“. Und er wurde der König der Juden, der auf Golgatha hing und starb.

Dass Gott ihn nach drei Tagen auferweckte von den Toten, das bekamen die Menschenmassen gar nicht mehr mit. Sie hatten schon wieder neue Idole gefunden.

Vielleicht ist es gut, dass ich nicht dabei war damals am See. Vielleicht hätte ich mich von der Begeisterung der Masse mitreißen lassen und auch nur das Wunder und den Brotkönig haben wollen. Ich fürchte, ich wäre durchaus anfällig dafür.

Aber durch die 2000 Jahre Abstand und durch die Berichte aller vier Evangelisten darf ich zum Eigentlichen durchblicken. Natürlich wäre hin und wieder mal ein Wunder hilfreich für meinen Glauben. Doch was nützt mir eine Gebets-Erfüllungs-Maschine, die nur das tut, was ich will? Die mich auf mich selbst und meine Wünsche beschränkt? Die begrenzt wird durch meine Vorstellungen: räumlich und zeitlich?

Jesus ist so viel mehr als ein Geschichtenerzähler, ein Wunderheiler, ein Brotkönig. Er sieht meinen Mangel. Nicht nur den äußerlichen Hunger oder die innerliche Neugier. Er kennt meine tiefsten Wünsche, sogar oft besser als ich selbst.

Das kann der Schrei nach einem oder mehreren Menschen sein, die mich so annehmen, wie ich bin. Oder die Hoffnung auf eine gute Nachricht beim anstehenden Arztbesuch. Oder die Sehnsucht nach einer friedlichen Beziehung in der Familie oder in der Nachbarschaft.

Im Innersten aber steckt wohl in jedem von uns die Angst vor der absoluten Einsamkeit. Und damit eng verbunden die Angst vor dem Ende dessen, was wir je nach Alter seit vielen oder nicht ganz so vielen Jahren kennen: Das Leben auf dieser Erde. Ein einziger Satz ist todsicher wahr: Wir alle sind sterblich.

Und hier ist das eigentliche, das unfassbare Wunder. Gott, der Schöpfer dieser Welt und dieser Menschheit ist auf unsere irdische Ebene gekommen, ist Mensch geworden. Damit wir einen haben, der uns ganz nah ist. Im Leben und im Sterben und durch den Tod hindurch in Ewigkeit.

Jesus der Brotkönig? Am nächsten Morgen wären die Leute wieder hungrig gewesen. Und spätestens nach seinem Tod hätten sie keinen mehr gehabt, der mal so nebenbei mit fünf Broten und zwei Fischen Tausende satt macht.

Jesus, der Auferstandene aber, der hat auch noch 2000 Jahre später alle Macht im Himmel und auf Erden. Er sättigt uns heute, indem er uns unser tägliches Brot und noch viel mehr gibt. Indem er uns im Abendmahl fühlbar und schmeckbar nahe kommt. Und er sättigt uns durch sein Wort. Durch Seegeschichten, durch Predigten, durch die heilige Schrift, die wir ja in so vielen unterschiedlichen Ausgaben zur Verfügung haben. Doch das Beste ist: Er sättigt uns in Ewigkeit!

 

Wie hat Jesus direkt nach der Speisung der 5000 gesagt? „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens.“

Jetzt muss ich nicht mehr sagen: Ich wäre so gern dabei gewesen. Denn ER ist bei mir dabei!

Mit diesem König an meiner Seite kann ich getrost durchs Leben gehen. Er ist bei mir alle Tage und Nächte bis an das Ende meiner irdischen Zeit und bis ans Ende dieser Welt. Und er nimmt mich mit in seine Ewigkeit!

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.



Predigtlied: 123,1-5 Jesus Christus herrscht als König

 

 

8. Sonntag nach Trinitatis

Predigt in der Reihe "See-Geschichten"

 

"Der dritte Brunnen"

Liebe Gemeinde,

was heißt das eigentlich - nachhaltig? Man kann ja vieles hineinlegen in diesen Begriff. Ein AntiSchuppen-Shampoo befreit nachhaltig von Schuppen. Eine Diät wirkt nachhaltig, wenn sie länger als 3 Wochen hält. In der Schweiz wurde einmal die nachhaltigste Autobahn eröffnet. Man kann vieles hineindeuten. Es hört sich immer gut an, wenn ein Produkt oder ein Unternehmen oder ein Projekt nachhaltig ist. Mit anderen Worten: Nachhaltig ist ein Plastikwort. Was heißt nachhaltig? Eine meiner Lieblingsgeschichten dazu ist eine alte, Jahrtausende alte Erzählung aus dem 1. Buch Mose, Kapital 26, Verse 12-22, der heutige Predigttext. (…) Und Isaak säte in dem Lande und erntete in jenem Jahre hundertfältig; denn der Herr segnete ihn. Und er wurde ein reicher Mann und wurde immer reicher, bis er sehr reich war, sodass er viel Gut hatte an kleinem und großem Vieh und ein großes Gesinde. Darum beneideten ihn die Philister. Nun hatten sie aber alle Brunnen verstopft, die seines Vaters Knechte gegraben hatten zur Zeit Abrahams, seines Vaters, und hatten sie mit Erde gefüllt. Und Abimelech sprach zu ihm: Zieh von uns, denn du bist uns zu mächtig geworden. Da zog Isaak von dannen und schlug seine Zelte auf im Tal von Gerar und wohnte da und ließ die Wasserbrunnen wieder aufgraben, die sie zur Zeit Abrahams, seines Vaters, gegraben hatten und die die Philister verstopft hatten nach Abrahams Tod, und nannte sie mit denselben Namen, mit denen sein Vater sie genannt hatte. Auch gruben Isaaks Knechte im Tal und fanden dort eine Quelle lebendigen Wassers. Aber die Hirten von Gerar zankten mit den Hirten Isaaks und sprachen: Das Wasser ist unser. Da nannte er den Brunnen »Zank«, weil sie mit ihm da gezankt hatten. Da gruben sie einen andern Brunnen. Darüber stritten sie auch, darum nannte er ihn »Streit«. Da zog er weiter und grub noch einen andern Brunnen. Darüber zankten sie sich nicht, darum nannte er ihn »Weiter Raum« und sprach: Nun hat uns der Herr Raum gemacht und wir können wachsen im Lande. Weiter Raum – was für ein großartiges Bild für nachhaltig: Weiter Horizont, eine weite Perspektive, ein weiter Blick nach links - rechts - vorn - hinten … auch nach oben, ein weiter Raum mit einem noch weiteren Himmel über mir, weite Gedanken, eine weiter denkende Vernunft, weit machende Gefühle, weite Herzen. Ein weiter Raum zum Leben für uns und andere. Es geht in dieser biblischen Geschichte bei Isaak nicht um irgendwas. Es geht um Ressourcen, um knappe Ressourcen und um den Streit, der sich häufig damit verbindet. Es geht um den Rohstoff, ohne den es kein Leben gibt. Es geht ums Wasser, ums Überleben. Der Verteilungsstreit zwischen den Hirten ist entbrannt. Ein Konflikt an sich ist ja nichts Schlimmes. Schwierig aber wird es, wenn ein Konflikt nicht fair ausgetragen: Wenn nicht Argumente zählen, sondern Gewalt ins Spiel. Oder wenn von vornherein feststeht, wer die Spielregeln diktiert und wer deshalb zu den Gewinnern gehört. Auch bei Isaak kommt es zum Konflikt. Und stellen Sie sich vor: In Gerar - das ist zwischen Gaza und Beerschewa, nahe an der Wüste Negev - wenn da zwei Gruppen in diesem heißen Land um eine Wasserquelle streiten, dann fliegen da die Fetzen – und die Fäuste. Dann geht’s es ums Ganze. Die Anrechte auf Wasser werden deutlich beim Namen genannt: Das Wasser ist unser.

Bei Isaak erfahren wir nicht, wie der Streit gelöst wurde. Wir erfahren aber, dass er gelöst wurde. Und wir erfahren etwas über den Weg dahin: Er sucht und gräbt. Und er findet. Aber dann erlebt er einen herben Rückschlag. Er sucht und gräbt erneut. Und wieder steht er kurz vor dem Ziel und muss dann noch scheitern. Erst Zank, dann Streit. Christ zu sein, heißt nicht, sich in eine heile Welt zu flüchten. Sondern in den Konflikten dieser Welt zu stehen und darauf zu setzen, dass eine heile Welt kommt. Das könnte eine Lehre sein aus dieser biblischen Geschichte: Dass wir beharrlich bleiben. Dass wir uns neu auf den Weg machen, erneut suchen, nach vorne sehen. Oder besser: nach oben schauen. Und so das Ziel im Auge behalten, wie es im Psalm 31 heißt: Gott, Du stellst meine Füße auf weiten Raum. Ein weiter Raum. Eben nicht nur für mich oder nur für meine Familie oder meine kleine Gruppe. Sondern: Ein Raum, der Wasser und Nahrung spendet. Ein Schutzraum - aber eben keiner, der einengt, sondern der Freiheit schenkt und das Leben öffnet. Und freilich: Ein weiter Raum für alle, die mit mir um die Erfüllung der grundlegenden Bedürfnisse streiten. Weiter Raum – übrigens auch für die, die noch gar nicht mitreden können, weil sie zu jung sind oder noch gar nicht geboren sind; die aber von unserem heutigen Lebensstil später einmal betroffen sein werden. Unsere Kinder und Kindeskinder und deren Kinder. Nachhaltig zu wirtschaften, heißt: Enkeltauglich zu wirtschaften, besser noch: urenkeltauglich. Ich vermute, da gibt es für uns noch manche Lektion zu lernen. • Beispiel „Plastikfasten“ • Beispiel: Der CO2-Ausstoß weltweit wächst weiterhin an. Auch die Menschen in den anderen Ländern wollen so leben, wie wir leben. Können wir es ihnen verübeln? Zu den schlechten Nachrichten gehört, dass das Grönland-Eis schneller abschmilzt als in Modellen vorhergesagt. In diesem Sommer ist so früh und so viel Eis abgeschmolzen wie noch nie zuvor. Und dadurch setzt sich ein Teufelskreis in Gang. Die Oberfläche des Eises spiegelt die Wärme der Sonnenstrahlen zurück. Wenn aber mehr und mehr Eis abschmilzt, dann werden Landflächen sichtbar. Diese reflektieren nicht mehr das Sonnenlicht, sondern absorbieren es. Die Erderwärmung führt um Abschmelzen des Grönland-Eises. Das Abschmelzen führt zu einer stärkeren Absorbierung der Sonnenstrahlen. Das wiederum führt zu einer noch größeren Erderwärmung. Ein Teufelskreis. Zwischen 1972-2010 – also im Verlauf von 38 Jahren – ist so viel Grönlandeis abgeschmolzen, dass die Meeresoberfläche um 7 mm gestiegen ist. Und dieser Prozess wird immer schneller. In den 8 Jahren darauf, zwischen 2010 und 2018, ist noch einmal so viel Eis abgeschmolzen, dass das Meer noch einmal um 7 mm gestiegen ist. Wenn das ganze Grönland-Eis schmilzt, dann würde die Meeresoberfläche um 6 Meter steigen. Dann verschwinden nicht nur einzelne Inseln in den Weltmeeren, dann versinken Millionenstädte dieser Welt. Und das Ungerechte ist: Die Unschuldigen…, die Armen auf der Welt… diejenigen, die wenig CO2 emittiert haben, die sich keine Flugreisen leisten konnten, die keine plastikverpackten Lebensmittel gekauft hatten, die nicht mit dem Auto zum Kindergarten gefahren sind… die Unschuldigen also werden die ersten Opfer der Klimakrise sein. Sie können sich am wenigsten gegen Missernten schützen, gegen Dürren und Stürme. Was kommt da an Konflikten und Kriegen auf uns zu? Wahrscheinlich ist es gar nicht mehr 5 vor 12. Wahrscheinlich ist es schon zu spät. Wahrscheinlich können wir die Klimakrise gar nicht mehr aufhalten. Wahrscheinlich können wir sie allenfalls noch entschleunigen. Als Christ und Vater zieht es mir die Eingeweide zusammen. Ich denke mir: In was für eine Zukunft nur entlassen wir unsere Kinder und Enkel? An dieser Stelle aber meldet sich der Glaube zu Wort, mein Glaube, unser Glaube. Da kommen diese alten, uralten Menschheitsgeschichten in den Sinn, die erzählen vom Leben und Überleben, vom Kampf um Ressourcen, vom Graben, vom Scheitern, von Rückschlägen. Aber Isaak gibt nicht auf. Er zieht weiter. Er sucht erneut. Er gräbt nochmals. Wird erneut in Konflikte verwickelt. Und doch bewahrt er sich Hoffnung. Gegen allen Augenschein. Der Glaube ist eine große Schatztruhe der Hoffnung. Zu hoffen heißt ja nicht, zu wissen, dass es gut ausgehen wird. Hoffen hießt vielmehr: So zu leben, als könnte es gut ausgehen. Und das will ich tun. Ich will so leben und so arbeiten, als könnte es gut ausgehen. Dafür habe ich mich entschieden. Ich will einfach, dass es gut ausgeht. An Gott glauben ist kein Besserwissen von Dingen, die sowieso nicht zu beweisen sind. Glauben ist auch kein moralisches Bessersein. Glauben ist auch kein Festhalten an alten Traditionen aus vergangenen Zeiten. Sondern Glauben ist eine Haltung. Es ist die Haltung, von Gott beschenkt zu sein. Ich lasse mir gefallen, von Gott beschenkt zu sein. Und mit mir ist jeder andere Mensch von Gott beschenkt mit Würde, mit Einzigartigkeit, mit Gaben, die fruchtbar werden können im Zusammenleben und -arbeiten. Jeder andere Mensch ist von Gott beschenkt, jeder andere, der vor uns lebte, der zeitgleich mit uns lebt, der nach uns über die Erde wandeln wird. Aus diesem Beschenktsein wächst dann eine Antwort. Manchmal ist die Antwort eine Entscheidung. Beispielsweise die Entscheidung zur Hoffnung. Die Hoffnung, damit wir uns erneut auf den Weg machen, damit wir Lösungen finden, damit wir einen zweiten Brunnen oder, wenn‘s sein muss, einen dritten Brunnen graben. Es ist eine Hoffnung, die nicht mit Besserwisserei einhergeht. Sondern, die demütig ist. Die nicht so tun will, als wüssten wir‘s. Wir können gar nicht wirklich nachhaltig leben. Wir können aber uns auf den Weg machen, Schritt für Schritt dazulernen, uns überlegen, wohin wir unser Geld tragen; Schritt für Schritt dazulernen, wie unser Lebensstil Auswirkungen hat auf das Grönlandeis oder auf Menschen, die in Afrika in Bergbauminen geknechtet werden. Und je mehr wir lernen, desto eher können wir manche unserer Gewohnheiten anders üben und einüben …. getragen von der Hoffnung, dass unsere Zukunft in Gottes Hand liegt und dass Gott einen weiten Raum eröffnen wird. Und dass wir so mit weiten Gedanken und weiten Herzen diese Welt gestalten und erhalten. Diese Hoffnung, diese Beharrlichkeit und Zuversicht möge uns in allem begleiten, auch heute und morgen. Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

 

 

7. Sonntag nach Trinitatis

Predigt in der Reihe "See-Geschichten"

 

4 (Jesus) musste aber den Weg durch Samarien nehmen. 5 So kam er zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte. 6 Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde.

7 Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagte zu ihr: Gib mir zu trinken! 8 Seine Jünger waren nämlich in den Ort gegangen, um etwas zum Essen zu kaufen. 9 Die samaritische Frau sagte zu ihm: Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.

10 Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben. 11 Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser? 12 Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden?

13 Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; 14 wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt. 15 Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.

 

Liebe Gemeinde,

Ehepaare sind Weltmeister darin, zu verstehen, was der andere gar nicht gesagt hat. Loriot hat solche Szenen oft auf die Bühne gebracht. Wer von Ihnen erinnert sich an die Szene mit dem Frühstücksei „Er: Das Ei ist hart“ Sie fühlt sich angegriffen. Ein Dialog entspannt sich, in dem beide aneinander vorbeireden. Der Ton wird aggressiver. „Und morgen bringe ich sie um“ sagt der Mann zum Schluss.

Jesus und die Samariterin. Auch diese Beiden reden aneinander vorbei. Auch wenn das Ende des Dialoges hoffnungsfroher stimmt. Diese Geschichte am Brunnen steht dafür, dass Gespräche oft über das Gesagt hinausgehen. Gespräche haben meistens noch eine andere Ebene. Wir reden und hören auf mehreren Ebenen.

Die Samaritanerin redet vom Wasser, der Materie. Sie spricht vom Wasser, das man trinken kann. Das Wasser, welches lebensnotwendig ist. Jesus sagt: Gib mir zu trinken. Und gleichzeitig redet er von etwas ganz anderem. Am Ende bittet sie ihn, ihr zu trinken zu geben. Wie verwirrend! Aber über was reden die Beiden wirklich?

Es geht wie im echten Leben um ein Gespräch auf mehreren Ebenen, zum einen um die spirituelle Ebene eines Gespräches.

Jesus Christus steht für das neue Leben, das nicht vergeht. Das unvergängliche Leben, das den Alltag überschreitet. Diese Ebene weist auf das neue Leben hin, das durch Jesus in die Welt gekommen ist. Ein Leben, das satt macht und uns keinen Durst mehr verspüren lässt nach immer mehr und mehr. Er ist das Wasser des Lebens

Die andere Ebene weist auf die zwischenmenschliche Beziehung an. Weil wir alle aus ein und derselben unsichtbaren Quelle gespeist werden, können wir durch den anderen wachsen und reicher werden. Im Evangelium von heute geht es um Identität und um Dialogfähigkeit, weil wir durch eine unsichtbare Quelle miteinander verbunden sind.

Diese Ebene weist auf das Miteinander zweier Religionen hin. Samariter und Juden lehnten die jeweilig andere Religion im gesellschaftlichen Zusammenleben der damaligen Zeit gegenseitig ab. Diese Ebene ist in unserer Zeit hoch aktuell. Wie gehen die Religionen miteinander um?

Zudem ist interessant, mit wem Jesus da spricht. Sie, die Samariterin gehört nicht nur einer anderen Religion an, sie ist zudem eine Frau. Noch eine andere Ebene.

Wenn Jesus mit einer andersgläubigen und einer Frau redet, überschreitet er ein Tabu. Er kann das, weil er auf einer unerschütterlichen Grundlage steht. Sein Glaube, seine Verbindung zu Gott ist sicher. Sein Glaube macht ihn sicher. Er lässt sich auf Fremdes, Unbekanntes ein und dadurch wird sein Glaube lebendig. So kann er zur sameritischen Frau sagen:

„Gib mir zu trinken“.

Jesus zeigt uns, dass wir uns selbst ärmer machen, wenn wir Menschen meiden, die anders sind als wir. Der Antisemitismus gegenüber Juden, der jetzt wiederauflebt, weist auf eine große Armut im Glauben hin. Wer gegen Moslems und Muslimas hetzt, ist glaubensarm.

Denn: Jesus zeigt uns, dass wir uns selbst das Wasser abgraben, wenn wir nur Beziehungen zu denen pflegen, die uns ähnlich sind. Das gilt übrigens auch für die Ehe. Der Dialog mit denen, die anders sind, lässt uns wachsen. Diese Fähigkeit können wir aus unserem Glauben heraus gewinnen. Der Text lehrt uns, wie wichtig es ist, dass Menschen ihre eigene Identität kennen und verstehen, denn dann werden sie durch die Identität anderer nicht verunsichert.

Denn: Das Wasser des Lebens verbindet beide. Samaritanerin und Jesus. Beide, die sich da kennenlernen, machen die Erfahrung von Reichtum. Sie schöpfen aus dem gleichen Brunnen und werden reich. Sie schöpfen das gleiche Wasser und ihr Glaube wird lebendig.

Das Johannes-Evangelium schildert Jesus als Fremden, der müde und durstig ankommt. Er benötigt Hilfe und bittet um Wasser: Gib mir zu trinken“. Die Frau ist in ihrem eigenen Land; der Brunnen gehört ihrem Volk. Sie besitzt ein Schöpfgefäß, und sie ist diejenige, die Zugang zum Wasser hat. Aber auch sie hat Durst. Einen Durst, der übe das offensichtliche hinausgeht. Am Brunnen treffen beide zusammen, und diese Begegnung eröffnet ihnen überraschende Möglichkeiten.

Jesus hört nicht, auf Jude zu sein, selbst wenn er von dem Wasser trinkt, das ihm die samaritische Frau gibt. Die Samariterin bleibt sie selbst, wenn sie Jesu Angebot annimmt. Der Satz „Gib mir zu trinken“ setzt voraus, dass sowohl Jesus als auch die Samariterin eine tiefe Ahnung von etwas haben, das sie trotz Unterschiede tief verbindet.

Der Satz „Gib mir zu trinken“ drückt eine Haltung aus, die der Einsicht gerecht wird, dass wir uns alle gegenseitig etwas zu geben haben: Juden, Muslime, Christen.

Tief im Judentum ist der Glaube verwurzelt, dass unter dem Tempel in Jerusalem eine Heil-Quelle fließt. In späteren Jahren wurde daraus der Heilsbrunnen. Die Legende erzählt: Von diesem Brunnen sollte Heil für alle Völker der Welt ausgehen. Von diesem Heilsbrunnen soll Erlösung ausgehen, Friede und Gerechtigkeit, sowie die Heilung aller Gebrechen. Vielleicht ist diese Geschichte tief in unserem Bewusstsein verankert. Auf sie gehen alle Geschichten von heilenden Wassern zurück. Orte wie Lourdes haben bedürftige Menschen angezogen in der Hoffnung auf Heilung. An heiligen Quellen wurden viele Klöster erbaut.

Im Neuen Testament wird die Vorstellung vom Heilsbrunnen mit Jesus verbunden. Drei Kapitel später steht im Johannesevangelium Jesus am höchsten Tag des Laubhüttenfestes auf und sagt: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke“ –Nicht eine echte Quelle begründet die Hoffnung auf Erlösung, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Von Jesus Christus, seinem Geist der Menschlichkeit und Liebe, geht Erlösung und Heilung aus. Er ist der Lebensbrunnen.

Wer wir sind, wo wir auch herkommen, wie verschieden wir auch sind. Wir haben auf unseren Glaubenswegen einen gut gefüllten Brunnen. Er versiegt nie, wenn wir daraus schöpfen. Er versorgt uns, mit allem, was wir zum Leben brauchen. Das können wir einander geben. Dazu will uns Gottes Wort stärken.

Jesus antwortete der Samariterin: „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.

Aus diesem Heilsbrunnen darf ich Kraft schöpfen für das Hier und jetzt, und den nächsten Schritt. Das Wasser des Lebens öffnet unsere Sinne und unseren Geist für das Unzerstörbare, für das Ewige im Jetzt. Amen.

 

Diese Ebene weist auf das Miteinander zweier Religionen hin. Samariter und Juden lehnten die jeweilig andere Religion im gesellschaftlichen Zusammenleben der damaligen Zeit gegenseitig ab. Diese Ebene ist in unserer Zeit hoch aktuell. Wie gehen die Religionen miteinander um?

Zudem ist interessant, mit wem Jesus da spricht. Sie, die Samariterin gehört nicht nur einer anderen Religion an, sie ist zudem eine Frau. Noch eine andere Ebene.

Wenn Jesus mit einer andersgläubigen und einer Frau redet, überschreitet er ein Tabu. Er kann das, weil er auf einer unerschütterlichen Grundlage steht. Sein Glaube, seine Verbindung zu Gott ist sicher. Sein Glaube macht ihn sicher. Er lässt sich auf Fremdes, Unbekanntes ein und dadurch wird sein Glaube lebendig. So kann er zur sameritischen Frau sagen:

„Gib mir zu trinken“.

Jesus zeigt uns, dass wir uns selbst ärmer machen, wenn wir Menschen meiden, die anders sind als wir. Der Antisemitismus gegenüber Juden, der jetzt wiederauflebt, weist auf eine große Armut im Glauben hin. Wer gegen Moslems und Muslimas hetzt, ist glaubensarm.

Denn: Jesus zeigt uns, dass wir uns selbst das Wasser abgraben, wenn wir nur Beziehungen zu denen pflegen, die uns ähnlich sind. Das gilt übrigens auch für die Ehe. Der Dialog mit denen, die anders sind, lässt uns wachsen. Diese Fähigkeit können wir aus unserem Glauben heraus gewinnen. Der Text lehrt uns, wie wichtig es ist, dass Menschen ihre eigene Identität kennen und verstehen, denn dann werden sie durch die Identität anderer nicht verunsichert.

Denn: Das Wasser des Lebens verbindet beide. Samaritanerin und Jesus. Beide, die sich da kennenlernen, machen die Erfahrung von Reichtum. Sie schöpfen aus dem gleichen Brunnen und werden reich. Sie schöpfen das gleiche Wasser und ihr Glaube wird lebendig.

Das Johannes-Evangelium schildert Jesus als Fremden, der müde und durstig ankommt. Er benötigt Hilfe und bittet um Wasser: Gib mir zu trinken“. Die Frau ist in ihrem eigenen Land; der Brunnen gehört ihrem Volk. Sie besitzt ein Schöpfgefäß, und sie ist diejenige, die Zugang zum Wasser hat. Aber auch sie hat Durst. Einen Durst, der übe das offensichtliche hinausgeht. Am Brunnen treffen beide zusammen, und diese Begegnung eröffnet ihnen überraschende Möglichkeiten.

Jesus hört nicht, auf Jude zu sein, selbst wenn er von dem Wasser trinkt, das ihm die samaritische Frau gibt. Die Samariterin bleibt sie selbst, wenn sie Jesu Angebot annimmt. Der Satz „Gib mir zu trinken“ setzt voraus, dass sowohl Jesus als auch die Samariterin eine tiefe Ahnung von etwas haben, das sie trotz Unterschiede tief verbindet.

Der Satz „Gib mir zu trinken“ drückt eine Haltung aus, die der Einsicht gerecht wird, dass wir uns alle gegenseitig etwas zu geben haben: Juden, Muslime, Christen.

Tief im Judentum ist der Glaube verwurzelt, dass unter dem Tempel in Jerusalem eine Heil-Quelle fließt. In späteren Jahren wurde daraus der Heilsbrunnen. Die Legende erzählt: Von diesem Brunnen sollte Heil für alle Völker der Welt ausgehen. Von diesem Heilsbrunnen soll Erlösung ausgehen, Friede und Gerechtigkeit, sowie die Heilung aller Gebrechen. Vielleicht ist diese Geschichte tief in unserem Bewusstsein verankert. Auf sie gehen alle Geschichten von heilenden Wassern zurück. Orte wie Lourdes haben bedürftige Menschen angezogen in der Hoffnung auf Heilung. An heiligen Quellen wurden viele Klöster erbaut.

Im Neuen Testament wird die Vorstellung vom Heilsbrunnen mit Jesus verbunden. Drei Kapitel später steht im Johannesevangelium Jesus am höchsten Tag des Laubhüttenfestes auf und sagt: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke“ –Nicht eine echte Quelle begründet die Hoffnung auf Erlösung, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Von Jesus Christus, seinem Geist der Menschlichkeit und Liebe, geht Erlösung und Heilung aus. Er ist der Lebensbrunnen.

Wer wir sind, wo wir auch herkommen, wie verschieden wir auch sind. Wir haben auf unseren Glaubenswegen einen gut gefüllten Brunnen. Er versiegt nie, wenn wir daraus schöpfen. Er versorgt uns, mit allem, was wir zum Leben brauchen. Das können wir einander geben. Dazu will uns Gottes Wort stärken.

Jesus antwortete der Samariterin: „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.

Aus diesem Heilsbrunnen darf ich Kraft schöpfen für das Hier und jetzt, und den nächsten Schritt. Das Wasser des Lebens öffnet unsere Sinne und unseren Geist für das Unzerstörbare, für das Ewige im Jetzt. Amen.

 

 

Sonntag Trinitatis

Predigt zum Sonntag Trinitatis

Liebe Gemeinde,

Ich mag die Zeit Mitte Juni sehr. Die Erdbeeren, das Licht. Der Zenit des Sommers ist noch lange nicht erreicht, Vieles, worauf man sich freut, liegt noch vor einem, nicht nur einer, sondern mehrere Abende im Biergarten, wieder mehr Radl fahren, der Urlaub, die Sommerfeste. Alles fühlt sich leichter an im Juni. Der Juni atmet Zuversicht. Auch unsere Gemeindepfarrerin Beate Frankenberger will es einmal leichter haben im Juni und ist nun mit ihrem Mann im Urlaub.

Wir, Sie und ich sind zu Hause in Tutzing geblieben und dürfen heute miteinander das Trinitatisfest begehen, bedenken. Was allerdings auch mitten im leichten Juni gar nicht so leicht fällt, denn die Trinität ist ein ziemlicher Brocken.

Mit dem Trinitatisfest beginnt die lange Fest-lose Zeit im Kirchenjahr. Während sich Advent, Weihnachten, Epiphaniaszeit, der Passions- und Osterkreis bis hin zu Pfingsten durch die Bezüge zur Biografie von Jesus durchaus logisch und durch die jeweiligen Bräuche auch vertraut anfühlen, fehlt uns zum Fest der Trinität, oder auch Dreieinigkeit, die Anschaulichkeit einer biblischen Geschichte.

Die Trinität erscheint vielen Menschen als eine theologische Kopfgeburt, sie ist der interreligiöse Streitpunkt zwischen den Abrahamitischen Religionen. Haben wir Christen jetzt einen oder drei Götter, ist Gott wirklich Mensch, was genau ist dieser Heilige Geist? Das ist nach außen nicht leicht zu erklären, zu vermitteln, nach innen auch nicht.

Vielleicht haben wir ja deshalb je nach dem Termin des Osterfestes bis zu 27 Sonntage nach Tritintatis Zeit, um darüber zu meditieren, warum unser Gott uns gleich dreifach begegnet.

Paulus, der Verfasser unseres heutigen Predigttextes, hatte verglichen mit diesen großen Fragen auf den ersten Blick ganz praktische Probleme mit der von ihm gegründeten Gemeinde in Korinth: Zwei Mal war er bei ihnen, weil es immer wieder Streit in der Gemeinde gegeben hatte, unter anderem darüber, dass die Reichen auf die Armen keine Rücksicht nahmen, dass sie es mit der Nächstenliebe nicht so genau nahmen. Die Korinther waren ein plurales, internationales, oft uneiniges, feierfreudiges Völkchen, eine Hafengemeinde, in der jeder zunächst einmal seinen eigenen Weg ging. Ihre Schwierigkeiten mit dem Glauben lagen eher im praktischen Umsetzen.

Paulus wirbt für Frieden und Zusammenhalt in der Gemeinde, aber es scheint nicht allzu viel genützt zu haben.

Am Ende wirkt er geradezu beschwörend, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist sollen es richten:

Hören Sie was im 2. Brief an die Korinther, Kapitel 13, Vers 11-13 steht:

Zuletzt, Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.

Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Konnte das reichen?

Wahrscheinlich nicht!

Es genügte damals nicht, wie es heute nicht genügt, Gott Vater, Sohn und den Heiligen Geist einfach nur apellativ in Anspruch zu nehmen.

Es müsste vielmehr gelingen, das Geheimnis des christlichen Gottes von innen heraus zu durchdringen, mit der ganzen Existenz, spirituell und praktisch.

Nachdem durch Paulus das Christentum in die Welt der Griechen gekommen war, nutzen diese allerdings zunächst einmal vor allem das Mittel, das ihnen am vertrautesten war, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, ihren Verstand und die Philosophie. Es begann ein Jahrhunderte andauernder Streit über göttliche Personen, Substanzen, Hypostasen, Unter- und Überordnungen zwischen Gott und Mensch.

Das Ergebnis nach gut 500 Jahren war: Dreieinigkeit meint, dass unser christlicher Gott sozusagen drei Abteilungen hat, dass er als Urgrund der Existenz von allem was ist, als selbst ungeschaffener Schöpfer sozusagen über seiner Schöpfung schwebt, dass er aber genauso als der Mensch Jesus Christus ganz irdisch ist, Mensch wie wir und zugleich Gott und dass er als Heiliger Geist alles Gute und Schöne durchdringt, dass er Glauben und Gemeinschaft schafft und Inspiration schenkt.

Die Dreifaltigkeit war am Ende ein perfekt ausgedachtes System der Vermittlung zwischen Himmel und Erde, mit einem Chef, einem Juniorchef und einem eifrigen Disponenten, der sich –so gut er kann- um das Alltagsgeschäft in den vielen Filialen weltweit kümmert.

Der Gedanke, dass Gott drei Erscheinungsweisen hat und doch auch einer sein sollte, war eine wunderbare Nuss zum Knacken und zum Streiten für griechisch denkende Menschen der Antike.

Dem Juden Jesus wären diese philosophischen Spekulationen aber wahrscheinlich einfach nur fremd gewesen.

Jesus war eher von einer ungeheuer mächtigen Intuition getrieben, im Namen des Gottes Israels trennende Grenzen zwischen Menschen zu überschreiten.

Das hinderte die Kirche später aber nicht daran, weiter an ihrem Gedankengebäude zu bauen.

Besonders beeindruckend wurde die Pracht des Trinitätsgedankens in den uns hier im Oberland vertrauten katholischen Barock- und Rokokokirchen entfaltet, mit ihren in den Kuppeln thronenden Gottvätern, mit ihren die Siegesfahne der Auferstehung tragenden Christussen, mit ihren als Taube über der Kanzel schwebenden Heiligen Geistern, das alles umgeben von mächtigen Engeln und anbetenden Bischöfen.

Solche lichten Raumwelten wurden in den dunklen Zeiten des 30-jährigen Krieges und danach als Kontrastrealität geschaffen, Vorgänger heutiger virtueller Computerwelten, dazu bestimmt, den Menschen Ausblicke aus ihrem eigenen harten Leben zu gewähren, hinein in eine heile, virtuelle Welt der göttlich goldverzierten Pracht, als anschauliches Angebot von Hoffnung und als Manifest himmlisch-irdisch-kirchlicher Ordnung.

Die Kirche verstand sich über die Jahrhunderte dabei als exklusive Vermittlerin des Zugangs zu den Wohltaten dieses Himmel und Erde verbindenden Systems. Auch zum eigenen Vorteil.

Aber dieses System hat längst Risse bekommen.

Schon Johann Wolfgang von Goethe hatte Probleme mit der Trinität: „Ich glaubte an Gott und die Natur und an den Sieg des Edlen über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, dass drei eins sei und eins drei; das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele; auch sah ich nicht ein, dass mir damit auch nur im Mindesten wäre geholfen gewesen.“

Etwas weniger klassisch drücken es viele meiner Freundinnen und Freunde aus, nicht nur die ohne Konfession, sondern auch bewusste Protestanten: Sie können und wollen einfach nicht mehr glauben, dass Jesus mehr gewesen sein soll als ein begnadeter Mensch, begabt mit einem unendlich großen Herzen, dazu vielleicht ein ethischer Held mit ganz viel Gottvertrauen.

Für Sie war Jesus aber nicht Gott, sondern vor allem ein Vorbild!

Der Vorteil so einer Sichtweise und Haltung ist natürlich, dass man sich damit der ganzen lästigen Widersprüche entledigt, die im Nachdenken über die Trinität hochkommen: Kann Jesus überhaupt ganz Mensch sein, wenn er irgendwie auch Gott ist? Ist Gott überhaupt noch Gott, wenn er irgendwo auch Mensch ist? Ist der Geist tatsächlich die Verbindung des Getrennten ganz ohne Vermischung?

Das Herunterholen, das Entgöttlichen von Jesus hat allerdings auch seinen Preis: Und zwar für Gott, auch für den Gott des modernen Menschen: Wenn die unendliche Nähe zwischen Jesus und Gott wieder schwindet, die doch so typisch für den neuen, für die jungen christlichen Glauben war, dann droht Gott seinerseits wieder abstrakter zu werden, in größere Ferne zu rücken, wieder unnahbarer zu werden. Wollen wir diesen Preis zahlen?

Wo stehen wir also?

Mit den Mitteln der Vernunft kommen wir nicht recht weiter bei der Beziehung zwischen Gott und Mensch samt Heiligem Geist.

Sicher auch nicht dadurch, dass wir von einem Suchenden oder von uns selbst einfach trinitarischen Glaubensgehorsam einfordern. Die Zeit dafür ist vorbei.

Diese Strategie hat zudem massiv zum Glaubwürdigkeitsverlust der Kirchen beigetragen, deren Vertreter/innen sich viel zu lange auf vermeintlichen Sicherheiten oder auf ihrer eigenen Autorität ausgeruht haben.

Vielleicht kann man eine spirituelle Wahrheit wie die, dass Gott uns Menschen in Jesus unendlich, ja unendlich nahe sein will, dass Gott Mensch wird und mit uns durch seinen Geist in Beziehung tritt, sogar durch nichts besser unglaubwürdig machen als dadurch, dass man sie zu einem Dogma oder zu einer durch die Vernunft zu durchdringenden Tatsache erklärt. Das ist, was nicht geht: Was aber geht?

Das Geheimnis des Christentums zu ergründen, das ist –so meine ich- ein Herzensweg, eine Einladung, die Trinität ist eine Art inneres christliches Mantra: Gott, Mensch, zusammen und doch frei.

Mantren erschließen sich aber nicht bei ihrer ersten Wiederholung.

Auch für einen vernünftigen und zugleich spirituellen Menschen von heute gibt es jedoch die Option, den Weg Jesu selbst geistlich wie praktisch nachzugehen, der ihn letztlich in unendliche Nähe mit Gott geführt hat, so dass er zu ihm sagen konnte: Abba, Papa, lieber Vater im Himmel.

Das ist der eigentliche Kern des Trinitätsgedankens, eine erlebte Beziehung, die einen im Leben trägt. Die Osterbotschaft wagt sogar die Zusage, dass dieses Band auch durch den Tod nicht zu zerreißen ist.

Es ist wohl ein langer Übungsweg, auf dem wir viel, vielleicht alles loslassen müssen, der ganz in die Mitte dieses Glaubens hineinführt.

Wie ist das Getrennte, Gott und Mensch vielleicht doch miteinander vereinbar?

So paradox das klingt, wir kennen dieses Wunder der Verbindung des Getrennten längst, nämlich aus der tiefsten menschlichen Erfahrung, nach der wir uns ein Leben lang sehnen und zurückerinnern, es ist die Erfahrung der Liebe.

Liebe, unendliche Nähe ist der Schlüssel zum ganzen christlichen Glauben, zur christlichen Erscheinungsform des Religiösen und zwar als Erfahrung, nicht als Behauptung.

Liebe, Nähe zwischen Gott und Mensch ist was wir Christen einbringen in das Konzert der Religionen, das viele Klänge kennt, z.B. Klänge der Ehrfurcht bei den Muslimen oder Klänge der Verheißung bei den Juden. Unser Klang ist die Liebe. Die Korinther mussten erfahren, dass die Liebe kein leichter Weg ist. Und die Lieblosigkeiten, die sich heute in jeder Art des Missbrauchs niederschlagen, sind daher das Gift, das die Kirchen zerfrisst. Da nützen alle Barockkirchen nichts.

Die Liebe ist umsonst, aber nicht billig zu haben. Die Liebe, wenn sie lebt, überwindet das Getrennte, in immer wieder neuen Anläufen. Auch für eine Kirche, die die Liebe in ihre Mitte stellt, ist noch Hoffnung.

Liebe überwindet Grenzen. Nichts anderes meint der Gedanke der Menschlichkeit Gottes in Jesus Christus. Nichts anderes meint auch die Trinität. Aber eben als spirituell erlebte, gefühlte, geglaubte und gefeierte Wahrheit, nicht als Bollwerk des Rechthabens.

Warum tun wir uns damit schwer?

Weil wir uns davor fürchten, nicht mehr ganz wir selbst sein zu dürfen, wenn wir uns ganz einlassen. Aus Angst vor Selbstverlust gehen viele Beziehungen auseinander, auch die zwischen Gott und Mensch.

Aber es ist genau dies das große Geheimnis und das Wagnis der Liebe wie des Glaubens, dass ich mich ganz hingeben kann und doch dabei ganz bei mir bleiben darf, mit mir selbst identisch bleiben darf.

Das kann man nur tastend erahnen wie das Kribbeln auf der Haut eines geliebten und liebenden Menschen in einer leichten Juninacht, das muss man einüben Tag und Nacht.

Das ist auch das ganze Geheimnis des christlichen Glaubens und der Trinität.

Amen

 

 

16. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zur Einführung als Gemeindepfarrerin

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt.

Offenbarung des Johannes Kapitel 3, 7- 8.11-13

7 Dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, und der zuschließt, und niemand tut auf: 8 Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. (…)

11 Ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!

12 Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen.

13 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

 

Liebe Gemeinde,

Einmal habe ich eine Nacht im Treppenhaus verbracht. Vor ungefähr 30 Jahren hatte ich in Italien ein Volontariat gemacht. Es war alles noch recht fremd. Den Schlüssel zur Wohnung hatte ich vergessen. (Pause) Leider kam mein Mitbewohner erst früh morgens nach Hause. Wie erleichtert war ich, als er die Türe aufsperrte.

Von daher weiß ich nur gut: Es fühlt sich nicht gut an, vor verschlossenen Türen zu stehen. Es ist immer gut, den passenden Schlüssel zu haben.

Nun ist mir in diesen Tagen dieser Schlüssel hier, in die Hände geraten. Das ist gut. Der ist so groß, dass ich ihn nicht vergessen werde.

Um das Geheimnis dieses Schlüssels geht es. Was öffnet er? Was versperrt einem dieser Schlüssel aber auch?

Er ist nicht nur beeindruckend groß, sondern auch besonders schön. Er öffnet und schließt - ganz einfach - die Kirchentüre, durch die Sie heute eingetreten sind.

Dieser Schlüssel öffnet den Raum zu dieser Kirche mit ihrem hellem lichten Raum und ihrer klaren Ordnung.

Manchmal ist die Kirche auch zu. Nachts beispielsweise, um diese Kirche mit ihren Kostbarkeiten zu schützen. Vielleicht ist aber schon manchmal vergessen worden, sie tagsüber wieder aufzusperren.

Verschlossen bleibt der Raum – im übertragenen Sinn- wenn ich selbst verschlossen bin. Solche Tage und Zeiten haben wir auch. Vielleicht, wenn das Sorgenkarussel sich dreht und dreht, wenn wir verzweifelt sind. Oder wenn wir wie innerlich tot sind, nichts mehr spüren, unverbunden sind mit uns selbst und anderen. Verschlossen bleibt uns der Raum, wenn wir innerlich eng sind, wenn wir Angst haben, misstrauisch beäugen, was andere sagen oder tun. Verschlossen bleibt uns dieser Raum, wenn ich die Schuld für etwas nicht Gelungenes bei anderen suche. Wenn ich nur klein denke und klein glaube. Dann scheint die Tür verschlossen.

Aber die Türe ist nicht zu. Sowie dieser Schlüssel uns zeigt, wie es innerlich in uns aussieht, so macht er auf der anderen Seite einen geistigen Raum auf:

Aus der Offenbarung des Johannes, die wir anfangs gehört haben, heißt es: „Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann.“ Der geistige Raum ist also immer offen. Wo ich auch bin.

Dennoch scheint uns manchmal der Zugang zu Gott und zum wahren Leben versperrt. So wie manchen auch der Zugang zu den Worten der Offenbarung verschlossen ist.

Viele Menschen denken, die Johannes – Apokalypse – wie sie auch genannt wird - kündigt den Untergang der Welt an. Mancher Endzeitherbeiredner beruft sich dabei auf Worte aus den Kapiteln 5 – 14. Fantasy Romane sind aus ihnen inspiriert, u.a. Der Herr der Ringe mit seinen abscheulichen Mischwesen, die Schrecken über die Menschheit bringen, die vielen Schlachten. Wer Horrorfilme liebt, kommt hier nicht zu kurz.

Aber! Was viele nicht wissen: Es handelt sich nicht um die Vorhersage einer fürchterlichen Zukunft. Es ist vielmehr die Beschreibung einer Gegenwart; es ist die Beschreibung von Krieg und Kämpfen, die sich in der Weltgeschichte wiederholen. Gezeichnet wird das grausame Macht-Gebaren verschiedener Herrscher. Kurz gesagt: Es geht um das Leiden der Menschen und der Schöpfung Gottes. Es ist das Tagebuch von Aleppo oder bald Idlip in Syrien, dem Jemen oder anderen Orten.

Dass Leiden der Menschen und dass Leiden der Schöpfung Gottes kann einem tatsächlich sowohl den Zugang zu Gott als auch zum Leben versperren.

Wie aber geht der Zugang wieder auf? Den Schlüssel dazu finden wir auch in der Offenbarung des Johannes. In diesem letzten Buch der Bibel spielt das Bild des Schlüssels eine wichtige Rolle und ein versiegeltes Buch.

Die Offenbarung des Johannes wurde zur Zeit der Christenverfolgungen verfasst, vermutlich unter dem römischen Kaiser Nero oder etwas später . Das Leiden der Menschen damals wird in einen größeren Zusammenhang gestellt: Auf der einen Seite tobt die Weltgeschichte, grausam und blutrünstig. Auf der anderen Seite steht die Heilsgeschichte Gottes. Beide Seiten kämpfen miteinander. Es scheint lange so, als ob Schmerz und Leid die Oberhand gewinnen. Aber am Ende siegt der, in dem das Leben seinen Anfang und sein Ende nimmt. Es gewinnt der, der den Schlüssel in der Hand hat und die sieben Siegel zu einem Buch öffnen kann.

Das Buch mit sieben Siegeln – auch davon schreibt der Seher Johannes. Das Buch mit den sieben Siegeln ist das Leben. Es ist das Leben selbst.

So viel man über das Leben in seiner Vielfalt geforscht hat. Vieles ist bleibt doch verborgen. Das Leben kommt einem auch wirklich manchmal wie ein Buch mit sieben Siegeln vor. Man versteht das Leben nicht immer. Manchmal ist einem das Leben selbst verschlossen.

Die Zahl sieben meint sieben konkrete Gemeinden der damaligen Welt: Das damalige Smyrna z.B. Ephesus oder Philadelphia gehörten zu den sieben Gemeinden. An diese richtet sich der Schreiber des Buches. Genau gesagt: Der Heilige Geist, von dem der Schreiber inspiriert ist, richtet sich an den Engel, den Geist der jeweiligen Gemeinde. Jede Gemeinde hat also einen eigenen Engel. Unsere Lesung ist gewissermaßen der Gemeindebrief an den Engel von Philadelphia.

Die Gemeinde ist klein, sie ist unwichtig, aber sie hat in der Zeit der Anfechtungen und des Leidens durchgehalten. Die Leute haben sich gegenseitig geholfen. Sie haben sich zu Christus bekannt.

Dafür wird ihnen die Krone zugesprochen. Philadelphia, der Stadt der christlichen Nächstenliebe, ihr wird zugesagt: Du wirst ein Pfeiler im Tempel Gottes sein und du wirst einen neuen Namen bekommen. Jeder Gemeinde wird etwas Anderes zugesagt. Überwinderworte nennt man diese Zusagen, theologisch. Jede Gemeinde hört für sie bestimmte Worte, die helfen Leiden zu überwinden.

Wenn demnach jede Gemeinde ihren eigenen Engel hat. Was ist der Geist dieser Gemeinde hier? Der Geist der Christuskirche für Tutzing und Bernried?

Weht hier der Christus-Geist? Wie offenbart er sich? Was macht diese Gemeinde besonders? Herzlichkeit, Tatkraft, das Einstehen für Schwache und nicht so Erfolgreiche? Großzügigkeit? Oder werden Menschen ausgeschlossen, die wir hineinnehmen sollten? Sind die Menschen hier offen füreinander oder bauen sie große Hecken und Zäune? Wo türmen sich Kummer und Sorgen? Und: Finden wir hier in der Gemeinde Schultern, an denen wir uns anlehnen können?

Wie könnte der Überwinderspruch für die Christuskirche lauten? Ich phantasiere: „Du hast viel geschafft, obwohl du eine kleine Gemeinde bist. Ihr habt einen schönen kleinen Tempel gebaut. Menschen kommen zu sich und zu mir, gewinnen neue Kraft.

Ruhe in mir. Sei im Frieden.

Ich bin bei Dir, wenn Du nun einen Raum fürs Miteinander schaffst, einen Raum fürs Teilen und Anteilnehmen. „Ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“, sagt uns der Heilige Geist. Hier ist der Schlüssel.

 

Was ist denn der Schlüssel zum guten und wahren Leben? Der Schlüssel, der die Siegel, das Verschlossene öffnete? Nicht meine Anstrengung, nicht meine Ansprüche und mein ständiges Optimieren.

Der Schlüssel zum Leben ist Christus. Das sagt die Offenbarung des Johannes. Wie dieses Leben aussieht, welchen Glanz dieses Leben umgibt, von welch unglaublicher Schönheit und Fülle dieses Leben ist, davon erzählt das letzte Buch der Bibel unglaublich poetisch und mit orientalischer Üppigkeit.

Es geht der Heiligen Schrift immer ums Leben. Weil Christus durch das Leiden hindurchgegangen ist, und auferstanden ist, ist er der Schlüssel. Wir, die wir an Christus glauben, haben den Schlüssel zum Leben, auch wenn Angst und Kummer uns bedrängen. Wir sind frei, erlöst und geheiligt. Deshalb können wir auch dort für das Leben kämpfen, wo es sich nicht entfalten darf. Wir machen uns keine Illusionen über die Abgründe der Welt. Wir halten uns aber fest am Schlüssel, dem Schlüssel zur Welt Gottes. Wir richten unseren Geist und unsere Sinne nach dem aus, was Jesus über das Leben und das Miteinander sagt. Das ist der Schlüssel. Für diesen Geist der Gemeinde wollen wir Augen und Ohren aufsperren und uns immer wieder stärken lassen. Amen.

Beate Frankenberger, Pfarrerin, Hörmannstr. 8, 82327 Tutzing